Lautsprecher und Klavierklang: Wie gut klingen Digitalpianos?

Lautsprecher und Klavierklang – zwei Dinge, die nicht unbedingt zusammengehören. Schließlich entsteht der Klang eines akustischen Klaviers ganz ohne Lautsprecher. Die komplexe Wechselwirkung zwischen Mechanik, Saiten und Resonanzboden elektronisch abzubilden, stellt hohe Erwartungen an Digitalpianos – die aber kaum ein Wiedergabesystem erfüllen kann.

Wie gut also kann ein E-Piano überhaupt klingen? Wie darf man den Klang eines Digitalpianos grundsätzlich bewerten und welche Maßstäbe gelten hier? Die Antworten auf diese Fragen fallen für Digitalpiano-Fans meistens unliebsam aus.

Aber es sollte einleuchten: Auch wenn beide Instrumente zum Klavierspielen gedacht sind: Akustikpiano und Digitalpiano sind ähnlich, aber in vielen Details eben unterschiedlich. Nicht allein, aber ganz besonders zwischen der Klangerzeugung und der Klangwahrnehmung liegen Welten.

Lautsprecher- und Klavierklang: Wo liegen die Unterschiede?

Akustische Klaviere sind so konstruiert, dass sie den Raum mit Klang erfüllen. Folgt man der typischen Aufstellung eines Wandklaviers, dann strahlt das Akustikpiano über Korpus und Resonanzboden den Klang in alle Richtungen ab. Einfluss auf den Sound kann man nehmen, indem man den Klavierdeckel öffnet. Noch offener und direkter wird der Sound des Klaviers, wenn man den Korpus von der zweiteiligen Frontverkleidung befreit.

Noch krasser ist der Effekt bei einem Konzertflügel. Mit aufgestelltem Klavierdeckel beschallen solche Instrumente einen Konzertsaal bis in den letzten Winkel. Es sollte einleuchten, dass ein kleines Einsteiger-Digitalpiano für 1000 Euro oder weniger dies nicht leisten kann. Und doch erwarten viele den vollen „Konzertklang“ im Wohnzimmer.

Kopfhörer- vs. Lautsprecher-Klang

In gewisser Weise bilden digitale Klavierklänge diesen großen Klangeindruck eines Konzertflügels sogar ab. Und zwar beim Spielen über Kopfhörer! Der gespeicherte Klavierklang klingt wie eine Klassikaufnahme, und der Nachhall eines Konzertsaals wird durch künstliche Hall-Effekte simuliert. Vor allem aber erlebt man den Klang entkoppelt von jeglichen akustischen Einflüssen – man kann hier schon mal zusammenfassen: Es gilt, Lautsprecher und Klavierklang und(!) die akustische Umgebung zu betrachten.

Welchen Einfluss hat die akustische Umgebung auf den Klang?

Unter Umständen sehr viel oder mehr, als einem lieb ist. Freilich ist ein Wohnzimmer kein akustisch optimierter Raum wie etwa ein Konzertsaal oder ein Tonstudio. Grundsätzlich gilt: Je mehr akustische Reflektion (durch z.B. viele freie Flächen), desto schlechter ist das für den Klangeindruck. In solchen Umgebungen haben es aber nicht nur Digitalpianos schwer, auch ein akustisches Klavier klingt hier einfach nicht gut.

→ Mehr zu dem Thema: Digitalpiano richtig aufstellen, Klavier richtig aufstellen

Was man über Wiedergabesysteme wissen sollte

Lautsprecher-Systeme in Digitalpianos können nur eine Annäherung an den originalen Klavierklang sein – das gibt schon die abweichende Konstruktion vor. Beim akustischen Instrument schwingt praktisch alles mit, beim Digitalpiano sind es die Lautsprechermembranen.

Im einfachsten Fall – vorwiegend trifft das auf Einsteiger-E-Pianos zu – strahlen zwei Lautsprecher links und rechts von der Unterseite der Konsole nach unten ab. Diese Anordnung ist die simpelste Methode, um sich der Klangabstrahlung des Klaviers zu nähern: Aufgrund des indirekten Schalls nimmt man das E-Piano als „selbstklingendes Objekt“ wahr.

Diese Funktion ist selbst beim kleinsten Homepiano gegeben, aber Wohlklang? Darunter stellen sich die meisten etwas anderes vor. Kleine Einsteiger-Pianos können größere Räume nicht wirklich gut beschallen, im (kleineren) Musikzimmer hingegen funktioniert das Ganze recht gut.

Je größer das Piano…

… desto lauter und voller der Klang. Das trifft in der Regel auch auf Digitalpianos zu. Größere und teurere Digitalpianos besitzen dafür stärkere Wiedergabesysteme. Größere Gehäuse erlauben den Einbau kräftiger Lautsprecher mit mehr Membranfläche. Sie können also mehr Luft in Schwingung versetzen und längere Schallwellen (mit anderen Worten: mehr Bass) übertragen.

Ein tolles Beispiel dafür ist das Thomann DP-140B U. Mit seinem Upright-Design ist dieses Digitalpiano schon optisch ein Statement. Dank eines kräftigen Lautsprechersystems werden aber auch die Erwartungen an den Klang nicht enttäuscht.

Die 360°-Methode

Vor allem bei größeren Digitalpianos werden aufwendigere Wiedergabesysteme verbaut, die aus mehreren Lautsprechern bestehen. Hier kocht jeder Hersteller nach eigenem Rezept, auch wenn die technischen Bezeichnungen recht ähnlich klingen. Das Ziel ist eine kreisförmige Schallausbreitung des Instruments.

• Front-Lautsprecher: Hier geht es um die Klangabstrahlung auf die Spielposition. Neben den beiden nach unten abstrahlenden Lautsprechern sind dann oben in der Spielkonsole zusätzliche Lautsprecher platziert, die mehr Transparenz im Mitten/Hochton-Bereich bringen und zudem ein konkreteres Stereo-Bild auf die Spielposition bringen.
• Diffusoren: Kawai verbaut in manchen Modellen der CN- und CA-Serien 360°-Diffusoren. Dieses Element wird oberhalb der Lautsprecher angebracht und „verwirbelt“ den Schall so, dass der Gesamtklang möglichst räumlich wahrgenommen werden kann.

Auch Yamaha setzt bei der CLP-800-Serie Diffusoren, Waveguides und bidirektionale Hornaufsätze ein.

→ Die Yamaha CLP-800-Serie im Überblick

Akustischer Resonanzboden plus Transducer

Als einziger Hersteller kombiniert Kawai Elektronik und Akustik beim Topmodell der CA-Serie, um die Klangabstrahlung eines Klaviers nachzuempfinden. Das Kawai CA-901 besitzt dafür das 360°-Diffusorsystem und zusätzlich einen Transducer-getriebenen Resonanzboden und führt die Vorteile von elektronischen und akustischen Komponenten zusammen.

Lautsprecher und Klavierklang im Vergleich

Bei unseren Testaufnahmen im Video haben wir verschiedene Instrumente unter die Lupe genommen, um zu zeigen, welche Unterschiede zwischen verschiedenen Lautsprecher-Konzepten und Preisklassen liegen können.

Um das Hörerlebnis im Studio zu vermitteln, haben wir ein Kunstkopf-Mikrofon (Neumann KU 100) eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein spezielles Stereo-Mikrofon, das binaurale Aufnahmen* macht. Es entsteht eine fast dreidimensional und plastisch wirkende Aufnahme aus der Spielposition.

* Der immersive Klangeindruck der Kunstkopf-Aufnahmen stellt sich nur dann ein, wenn man (gute) Kopfhörer nutzt.

Bei den Hörtests beginnen wir mit den beiden Portable Pianos Roland FP-10 und Yamaha P-525, aber auch die Homepianos Korg Poetry und Casio AP-750 sind mit dabei. Zudem kann man den Vergleich zum akustischen Klavier hören.

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