Als Aliquotsaiten werden generell zusätzliche (Hilfs-)Saiten bezeichnet, die das Obertonspektrum eines Instruments anreichern. Dabei werden sie nicht direkt gespielt, denn sie dienen ausschließlich der Saitenresonanz. Bei Flügeln und Klavieren sorgen Aliquotsaiten für mehr Brillanz und bei den Tönen der oberen Oktaven für mehr Sustain.
Das Aliquot-System von Blüthner
Blüthner entwickelte Ende des 19. Jahrhunderts das Aliquot-System, das bis heute in Flügeln verwendet wird. Die dreifachen Saitenchöre der oberen drei Oktaven werden beim Aliquot-System durch eine vierte Saite ergänzt. Jedoch ist die Aliquotsaite etwas höher liegend angebracht, damit sie nicht vom Hammer angeschlagen werden kann. Wenn die drei herkömmlichen Saiten eines Tons angeschlagen werden, schwingt die Aliquotsaite nur durch Resonanz mit.
Die Aliquotsaiten übertragen beim Blüthner-System über den Steg auf den Resonanzboden. Da sie sich im tonalen Geschehen recht aktiv verhalten, müssen die Saitenschwingungen durch die Dämpfer beim Loslassen der Tasten gedämpft werden.
Aliquotsaiten und Duplex Scale
Um den Ton des Klaviers anzureichern, wird im Klavierbau auch die Duplex Scale eingesetzt, die in ihrer Anwendung aber nicht mit dem Aliquot-System gleichzusetzen ist. Auch die Duplex Scale hat die Aufgabe, den Piano-Sound mit Obertönen anzureichern. Im Unterschied zu den Aliquotsaiten handelt es sich hier jedoch nicht um unabhängige Saiten, die individuell gestimmt werden. Für die Duplex Scale werden die Spielsaiten verwendet, jedoch handelt es sich um die Saitenabschnitte außerhalb der aktiv angeschlagenen Saite im Bereich zwischen Steg und Rahmen.
Sympathetic Resonance
Jede frei schwingende, nicht gedämpfte Saite kann durch andere Töne beim Klavier zum Mitschwingen angeregt werden. Dies geschieht in Abhängigkeit der natürlichen Obertöne, was auf komplexe Weise den Klang von Klavier und Flügel beeinflusst. Auch dabei spielt das Aliquot-System eine Rolle.