Christoph Spendel

Christoph Spendel
(Bildquelle: Christoph Spendel)
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Jazzmusiker, Keyboarder, Elektronik- und Rock-Musiker, Klavierlehrer, Komponist, Produzent, Autor, Professor an der Musikhochschule in Frankfurt – Christoph Spendel ist in vielen Genres unterwegs. Und es ist immer eine große Freude, mit einem so vielseitigen Musiker wie Christoph über aktuelle Entwicklungen zu sprechen. 

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Leute, denkt über den Klavierdeckel hinaus!

Christoph Spendel kennen die meisten als Jazzpianist, aber bei seinen eigenen Aktivitäten hält er es getreu seinem Motto: Leute, denkt über den Klavierdeckel hinaus! Was er auch seinen Studenten und Schülern mit auf den Weg gibt. In unserem Gespräch wird deutlich, dass Christoph seine Erfahrungen als Musiker, Lehrer und Independent-Musiker gerne teilt. Gerade in Zeiten von Corona – eine für Künstler katastrophale Situation – kann Christoph einige wertvolle Tipps geben und Perspektiven aufzeigen.

Christoph Spendel, Produzent und Komponist

Du hast viele erfolgreiche Studio-Alben produziert, bei denen das Piano im Mittelpunkt steht. Mit Keyfonia sind das elektronische Arrangements, während du Piano Solo spielst bei den Konzeptalben The Piano Side of Brazil oder The Piano Side of Frank Sinatra und jetzt aktuell Piano Shades. Wo nimmst du auf?

Christoph: Ich nehme alles in meinem eigenen Studio hier bei mir zuhause auf. Die meisten Sachen entstehen im Computer. Da setze ich die üblichen Verdächtigen ein: Software von Native Instruments, Spectrasonics, Rob Papen, u-he. Für Filmmusik auch die ganzen Orchestra-Libraries von East West.

Wie machst du deine Piano-Sounds?

Christoph: Synthogy Ivory – für mich gibt’s nichts Besseres. Das klingt einfach fantastisch. Dazu habe ich den Piano-Controller Kawai VPC1. Wie ich finde, das beste Masterkeyboard, das es gibt. Ein guter Freund und Kollege, Ratko Delorko, hat mit dieser Kombination sogar klassische Produktionen eingespielt. Er ist ja nicht nur ausgebildeter Pianist, sondern auch Klavierbauer. Er weiß also genau, was er mit den vielen Editiermöglichkeiten von Ivory anstellen kann. Als ich zum ersten Mal seine bearbeiteten Presets angespielt habe – hatte ich das Gefühl, an einem echten Flügel zu sitzen. Nicht nur vom Klangeindruck, sondern auch in puncto Tastentiefgang und Druckpunkt. Ich habe damit auch meine ganzen Piano-Solo-Produktionen eingespielt – jetzt gerade aktuell das Album Piano Shades.

Spielst du dann einen bestimmten Flügel aus der Ivory-Library?

Christoph: Ja, meistens den American D. Er hat Bauch, aber auch Brillanz. Vor allem mit seiner Aggressivität im Bass ist der unschlagbar. Der German D ist auch gut, aber ich finde den eher für Pop geeignet. Den setze ich gerne bei Filmmusiken ein, wenn ich mehrere Sounds mit dem Piano kombiniere und erreichen möchte, dass der Flügelklang mit seinen Obertönen gut aus dem Mix herauskommt. Eine weitere wichtige Klangfarbe ist aber auch der Bösendorfer im Ivory. Er hat schon fast etwas Mystisches.

Du hast ja schon immer auch elektronische Pianos gespielt – würdest du sagen, dass du ein Digital-Pianist bist?

Christoph: Ich würde es eher so beschreiben: Es kommt immer auf die Situation an, die man vorfindet, um das Beste daraus zu machen. Als akustischer Pianist kannst du nun mal nicht einfach dein Instrument zum nächsten Gig mitnehmen. Du musst dann mit dem arbeiten, was du dort vorfindest. Wenn ich mit meiner Band unterwegs bin, mögen es so an die 80% der Gigs sein, bei denen ich den dort vorhandenen Flügel ablehne. Dann habe ich mein Kawai MP11 SE dabei. Es hat dieses Shigeru-Kawai-Sample, für mich das beste Stagepiano im Rahmen dieser Kompromisslösung. Man ist da auf eine gute Verstärkeranlage angewiesen und man muss ein bisschen am Sound drehen – die Mitten können den Sound manchmal etwas überbetonen. Ich mache das mit meinem kleinen Mackie Mischer: einfach die Mitten um ein Drittel absenken und auch ein wenig die Bässe, und schon stimmt der Sound. Als Abhöre habe ich dann große Aktivboxen von Yamaha.

Fast alle Alben von Christoph Spendel entstehen in seinem eigenen Studio. Für Piano-Sounds setzt Christoph auf das Piano-VST Synthogy Ivory II. (Bildquelle: Christoph Spendel)
Fast alle Alben von Christoph Spendel entstehen in seinem eigenen Studio. Für Piano-Sounds setzt Christoph auf das Piano-VST Synthogy Ivory II. (Bildquelle: Christoph Spendel)

Live-Konzerte und Pianos

Hast du auch mal mit einem mikrofonierten Flügel gearbeitet?

Christoph: Ja, gerade zu Jahresbeginn hatten wir im Hanauer Jazz Club einen Gig mit dem neuen Band-Projekt. Der Flügel dort war gut und wir haben es dann mit Tonabnehmern und Mikrofonen versucht. Das war ein ganz schöner Aufwand und am Ende war das Resultat, dass das Schlagzeug in den Mikrofonen lauter war als der Flügel selber. Das war wirklich schade. Du kannst den besten Flügel haben, aber das Problem mit dem Übersprechen macht das alles zunichte.

Letztendlich kannst du mit dem digitalen Sound eine bessere Klangqualität abliefern – du hast keine Probleme mit Verstimmung oder Übersprechen. Und das Kawai MP11 SE ist in der Tastatur dem eben erwähnten VPC1 sehr ähnlich. Also stimmt auch das Spielgefühl. Das gilt wohlgemerkt für die Band-Situation, wo man mit anderen lauten bzw. verstärkten Instrumenten zusammenspielt. Wenn ich live Solo Piano spiele, sieht das schon ganz anders aus.

So wie z.B. bei deinen Streaming-Konzerten aus dem Frankfurter Jazzkeller.

Christoph: Ja, richtig. Dort wurde ja nur der Seiler Flügel abgenommen, andere Klangquellen waren ja nicht vorhanden. Publikum war nicht vor Ort, also hat nicht mal einer gehustet. Da hätte sogar Keith Jarrett gespielt (lacht).

Streaming-Konzerte sind momentan ja eine große Sache, in Zeiten von Covid-19 eine schwierige Situation für alle Künstler, die live arbeiten. Denn Veranstaltungen mit Publikum sind gerade unmöglich.

Christoph: Absolute Katastrophe! Ich kann für mich sagen, dass ich bereits in den letzten zehn Jahren ein gewisses Risiko bei den Einnahmen durch Live-Musik gesehen habe. Insofern habe ich schon vor einiger Zeit damit begonnen, andere Betätigungsfelder zu erschließen – so z.B. Klavierunterricht.

Klavierunterricht und Corona-Krise

Was war bzw. ist für dich wichtig am Unterrichten?

Christoph: Ich habe immer schon gerne unterrichtet, eigentlich mache ich das seit meinem 15. Lebensjahr. Das Unterrichten wurde zu einem wichtigen finanziellen Standbein. Ich empfehle es auch immer wieder meinen Studenten – ob nun in Zeiten von Corona oder danach: Leute, gebt Unterricht, denn es macht euch unabhängig vom Live-Spielen! Außerdem ein positiver Effekt: Durch das Unterrichten lernt man immer auch selber dazu.

Du arbeitest schon seit vielen Jahren an der Musikhochschule in Frankfurt, du warst dort bereits vor deiner Professur tätig oder?

Christoph: An der Musikhochschule in Frankfurt bin ich seit 1990. Nach zehn Jahren Lehrtätigkeit habe ich die Professur bekommen. Aber man muss ja nicht gleich eine Lehrtätigkeit an einer Hochschule anstreben. Generell finde ich, ist das Unterrichten für Musiker wichtig. Ich kann das nur immer wieder betonen und ziehe mal ein berühmtes Musikerzitat heran: Es gibt nichts Schöneres als auf der Bühne zu spielen und zu schwitzen. Aber wer weiß, das nächste Virus kommt bestimmt irgendwann. Dann sollte man neben seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Live-Spielen, noch etwas anderes in petto haben.

Die Corona-Krise betrifft ja aber auch das Unterrichten wie man sehen kann. Musikschulen wurden geschlossen. Zumindest all diejenigen, die sich auf den Face2Face-Unterricht konzentriert haben, stehen ebenso vor einem Desaster.

Christoph: Die Möglichkeiten des digitalen Unterrichts nutze ich schon seit einigen Jahren, um z.B. mit Studenten und Schülern über größere Entfernung in Kontakt zu bleiben. Insofern wurde ich jetzt nicht von der Corona-Krise überrascht.

Nutzt du spezielle Software für deinen Digital-Unterricht?

Für Einzelunterricht habe ich gute Erfahrungen gemacht mit Facetime. Okay – es ist limitiert auf Apple-Geräte, aber: Gute Bildqualität, guter Sound. Das reicht völlig aus. Ansonsten nutze ich auch Skype oder Whatsapp, jedoch kann hier die Übertragungsqualität schwanken. Für Sessions mit mehreren Teilnehmern ist Zoom geeignet. Ich beginne erst damit, meine eigenen Erfahrungen zu machen und bereite gerade eine Vorlesung dafür vor. Die Hochschule in Frankfurt hat dafür Lizenzen von Zoom erworben.

Man muss mit der Zeit gehen wie man so schön sagt. Auch als Jazzpianist und Komponist hast du dich in verschiedene Richtungen entwickelt.

Christoph: Viele kennen mich als Jazzmusiker, aber inzwischen habe ich eine ziemlich große Fangemeinde im Bereich von Electronic, Chill-out und Rock-Jazz. Als ich den Streaming-Konzert-Event über Facebook geteilt habe, bekam ich sofort Zusagen aus der ganzen Welt. Es ist inzwischen eine stilübergreifend orientierte Musikgemeinde, die nicht so puristisch auf Jazz ausgerichtet ist. Aber das trifft ja auch für mich selber zu. Okay, meine erste Schallplatte war Bill Evans at the Montreux Jazz Festival, aber ich bin ebenso mit der Musik von Keith Emerson aufgewachsen und habe immer auch z.B. Phil Collins, Yes oder King Crimson gehört. Die wenigsten wissen, dass ich auf diese Musik genauso stehe wie eben auf Jazz. Außerdem beschäftige ich mich im Rahmen von Filmmusik-Projekten immer mit den unterschiedlichsten Genres.

Christoph Spendel, Independent-Musiker

Vertreibst du deine Musik auch online?

Christoph: Absolut. Auch wenn ich immer wieder Musiker fluchen höre über Spotify & Co – es ist ein Segen, dass wir die Streaming-Portale haben.

Verglichen mit dem Verkauf von CDs ist doch deine Musik viel länger in den Archiven der Streaming-Portale verfügbar. 

Christoph: Nicht nur das. Erstmal aber scheinen viele zu vergessen, dass Streaming nicht die CD-Veröffentlichungen abgelöst hat, denn in friedlicher Koexistenz gibt es alle Medien: Stream, Download, CD, Vinyl. Dabei sind CD und Vinyl gute Medien für den Verkauf bei deinen Live-Konzerten. Dieses generelle Bashing „Streaming hat die Musikszene kaputt gemacht“, für mich stimmt das nicht. Vor allem gibt es einen riesigen Vorteil von Stream und Download: Wenn ich ein neues Album veröffentliche, dann ist das innerhalb von 24 Stunden weltweit zu haben.

Wenn ich überlege, wie das früher war. Da steht der Disponent der Jazzabteilung des Musikgeschäfts auf ECM, während der Disponent in Frankfurt Blue Note bevorzugt. Da kannst du dir ausrechnen, was in den Plattenläden ankam. Okay – inzwischen gibt es kaum noch Jazzabteilungen und weniger Plattenläden als früher. Deshalb: Man kann über Amazon, iTunes etc. schimpfen wie man will, aber man sollte bedenken, wir brauchen diese Vertriebe.

Denn was wäre, wenn es sie nicht gäbe? 

Christoph: Gerade für Independent-Musiker wie mich ist das eine gute Entwicklung. Eines aber sollte allen klar sein: Diese Vertriebskanäle erfordern, dass man selber mit anpackt. Man muss die Möglichkeiten der sozialen Medien nutzen, um sein Publikum zu erreichen. Aber das ist ja auch etwas, das man nach einer Zeit ganz routiniert erledigen kann. Vor allem aber macht das ja auch Spaß, wenn du so den direkten Kontakt zu seinem Publikum pflegen kannst.

Letztendlich ist auch ein Streaming-Konzert eine gute Plattform, um die Werbetrommel für seine Musik-Streams und – Downloads zu rühren. 

Christoph: Das auf jeden Fall. Bei dem Streaming-Konzert im April habe ich vermutlich vor dem größten Publikum gespielt, das ich je bei einem Live-Konzert hatte – auch wenn niemand davon tatsächlich im Raum war. The biggest audience I have never seen. (lacht)

Live-Streaming-Konzerte

Gestartet mit dem ersten virtuellen Live-Konzert am 25. April 2020 veranstaltet Christoph weitere Streaming-Konzerte im Jazzkeller Frankfurt. Beim nächsten Konzert am 24. Mai 2020 um 20 Uhr ist Christoph Spendel zusammen mit dem Saxofonist Tony Lakatos auf der Bühne. Am 10. Juni spielt Christop dann Piano-Solo im kleinen Saal der Musikhochschule Frankfurt.

Am 27. Juni 2020, ebenfalls um 20 Uhr, startet der Live-Stream mit der Christoph Spendel Group mit Steve Nanda (dr), Claudio Zanghieri (b) und Alberto Menendez (sax).  

Das Video unten zeigt die Aufzeichnung vom Auftakt der Live-Stream-Konzertreihe am 25. April: Christoph Spendel Solo-Piano.

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Alle Termine und Infos auf einen Blick: www.spendel.com

Christoph Spendel & Toni Lakatos im Jazzkeller Frankfurt

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Christoph Spendels Discographie

Auf dem Label Blue Flame Records veröffentlicht Christoph Spendel seit 30 Jahren Alben mit dem Schwerpunkt Jazzpiano – akustisch, aber auch im Bereich Elektronische Musik. Einen guten Überblick seiner umfangreichen Discographie liefert das aktuelle Streaming-Angebot von Spotify.

Christoph Spendel auf discogs.com

Christoph Spendel Discographie Spotify

Für CDs, MP3-Downloads und Vinyl hingegen wird man bei Amazon Music fündig. Selbstverständlich findet man Christophs Musik auf Apple Music und iTunes.

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