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Michael van Krücker

Michael van Krücker
Michael van Krücker (Foto: Marsha Glauch)
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Michael van Krücker ist als Konzertpianist in vielen Bereichen aktiv – von der klassischen Musik bis Minimal Music. Seine solistischen und kammermusikalischen Konzerte und Aufnahmen genießen großes Ansehen, er betreibt ein eigenes Pianostudio, komponiert und ist Herausgeber von Klavierwerken. Sein künstlerisches Schaffen widmet er vor allem auch der romantischen Klaviermusik, wobei er sich ausgiebig mit weniger bekannten Komponisten dieser Epoche beschäftigt.  

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Etliche Einspielungen dokumentieren seine akribische Arbeit auf diesem Gebiet. Mit der Klaviermusik von Ignaz Moscheles (1794-1870), Alexander Dreyschock (1818-1869), Friedrich Kalkbrenner (1785-1849) und sämtlicher Klavierwerke von Friedrich Nietzsche (1844-1900) hat Michael van Krücker so manchen Schatz der Klaviermusik gehoben, den er mit seinem bemerkenswert farben- und facettenreichen Spiel für uns in die heutige Zeit holt.

Aktuell erschienen ist Michael van Krückers Album Georg Schumann Piano Works. Wunderschöne romantische Klaviermusik mit modernen Anklängen, brillant eingespielt. Mich erreicht die emotionale Tiefe dieser Aufnahmen: Michael van Krücker hört man gerne zu.

Da ich kein Klassikexperte bin, war ich vor dem Interview mit Michael van Krücker ganz schön aufgeregt. Aber meine Angst ist schnell verschwunden, als ich Herrn van Krücker am Telefon spreche, denn er begrüßt mich äußerst freundlich und überrascht mich sogleich mit seiner Neugier gegenüber neuer Technologie auf dem Gebiet digitaler Instrumente. Auf sympathisch humorvolle Weise gibt er gerne und ausführlich Auskunft über seine Arbeit und sein Schaffen.

Ich mag kein Klavier, aber das gefällt mir…

Tatsächlich habe ich unter dem Titel dieses geflügelten Wortes eine Compilation-CD gefunden, auf der Sie mit einem echten Klavierklassiker vertreten sind: Für Elise von L.v. Beethoven. Was bedeutet Klavierspielen für Sie?

MvK: Ich glaube, da muss ich etwas weiter ausholen. Bei mir ist das Interesse für Klaviermusik erst relativ spät erwacht, aber dafür dann umso intensiver.

Was bedeutet spät?

MvK: Ich habe so mit etwa 15 Jahren angefangen. Ich bin da auch gar nicht traurig, dass ich nicht schon in sehr jungen Jahren begonnen habe. Ich glaube, das muss gar kein Nachteil sein. Denn in dem Alter weiß man schon nach einem halben Jahr, ob das Klavierspielen eventuell doch nicht die richtige Entscheidung gewesen ist. Oder man sagt sich: Jetzt erst recht! Ich habe mich für Version zwei entschieden und bin da auch recht entspannt herangegangen.

Wo wäre generell der Unterschied?

MvK: Im Kindesalter geht man damit, so denke ich, erstmal sehr intuitiv vor und die intellektuelle Verarbeitung folgt später. Wenn man später anfängt, dann ist zunächst einmal der Verstand vorherrschend und das Intuitive wird gesucht. Man kommt so von zwei Seiten heran. Was die Compilation betrifft, wusste ich bis vor kurzem gar nicht, dass ich dabei bin. Zufällig habe ich die CD in die Hände bekommen, weil ich den Titel witzig fand. Und war doch sehr überrascht, mich im CD-Booklet zu finden.

In einer Kritik über Sie wird das „kultivierte Klavierspiel und das poetische Musizieren“ gelobt…

MvK: … also ich habe den Kritiker nicht bestochen … (schmunzelnd)

Was ist die Poesie in der Musik?

MvK: Wie soll ich das beschreiben? Ist es das romantische Durchdringen von Seelenzuständen? Ich liebe die Zeit der Pianisten der Jahrhundertwende, den Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert mit den ersten Aufnahmen. Und ich glaube, dass die Pianisten um die Jahrhundertwende näher an den Komponisten waren. Einige haben sich ja sogar persönlich noch gekannt. 

Michael van Krücker im Interview über Georg Schumann

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Sehr intensiv befassen Sie sich mit der romantischen Klaviermusik, wobei Sie Ihre Arbeit ganz besonders auch weniger bekannten Komponisten widmen wie z.B. Georg Schumann.   

MvK: Ja, ich könnte mich da als jemanden bezeichnen, der gerne auf entlegenen Pfaden wandelt. Außer Georg Schumann waren da auch Soloaufnahmen von Friedrich Nietzsche, Ignaz Moscheles, Friedrich Kalkbrenner, Alexander Dreyschock. Und mit meinem damaligen Kölner Klavier-Duo* habe ich u.a. drei CDs mit vierhändigen Konzerten für ein Klavier und Orchester als Weltersteinspielung aufgenommen. Zu finden sind hier beispielsweise Kompositionen von Franz-Joseph Fröhlich (1780-1862), Carl Czerny (1891-1857) über Leopold Kozeluh (1747-1818) bis Albrecht Rosenstengel  (1912-1995) und Malcolm Arnold (1921-2006), der durch den berühmten River Kwai March bekannt wurde.

*aktuell spielt Michael van Krücker im Klavier-Duo mit Alexandra Sostmann.

… viele Namen, die ich zum ersten Mal höre…

MvK: Leider sind einige Namen der Komponisten in Vergessenheit geraten. Es ist aber ein unglaublich spannendes Gebiet, das man dort findet. In meinem Fundus ruhen noch einige Schätzchen.

Sie haben das gerade so betont: Vierhändig auf einem Klavier mit Orchester – was ist daran besonders?

MvK: Normalerweise finden Sie Konzerte für zwei Klaviere und Orchester. Vierhändig an einem Klavier mit Orchester – das ist ganz, ganz selten. Insgesamt haben wir 8 Werke eingespielt – mit dem Kölner Rundfunkorchester und den Bamberger Symphonikern.

Michael van Krückers aktuelles Album "Piano Works" widmet sich der romantischen Klaviermusik Georg Schumanns.
Michael van Krückers aktuelles Album "Piano Works" widmet sich der romantischen Klaviermusik Georg Schumanns.

Michael van Krücker: Georg Schumann Piano Works

Gerade erschienen ist Ihr Album mit Kompositionen von Georg Schumann. Für mich auch ein völlig unbekannter Name. Wie haben Sie seine Musik entdeckt?

MvK: Ich kannte das Werkverzeichnis von Georg Schumann bis vor einigen Jahren auch nicht. Es ergab sich eine Möglichkeit nach einem Konzert mit meinem niederländischen Cellisten René Berman bei den Friedenauer Kammerkonzerten in Berlin, da mich jemand auf den Komponisten Georg Schumann ansprach. Ich war gleich interessiert. Wir haben uns dann am folgenden Tag noch einmal getroffen, und so bekam ich einige Noten.

Wie gehen Sie dann mit so völlig unbekanntem Material um?

MvK: Ich spiele nur einige Takte an, ohne gleich in die Tiefe zu gehen, um zu wissen: Wie wirkt diese Musik auf mich? Ich habe dann sämtliche Klavierwerke von Georg Schumann durchgespielt, und seine Musik hat mich persönlich sofort fasziniert. Der nächste Schritt ist dann gewesen, die passende Musik für eine genaue Programmreihenfolge zusammenzustellen.

Ich finde, die Zusammenstellung hat eine Aussage, wenn man das so nennen kann. Auch wenn man die Stücke losgelöst aus der Reihenfolge des Albums hört, hängt doch alles zusammen. 

MvK: Das ist mir immer sehr wichtig. Ich habe so z.B. die Etüden und Variationen nicht berücksichtigt, weil das meiner Meinung nach als innere Einheit nicht gepasst hätte.

Aber das verbindende Element scheint mir auch durch die romantische Grundstimmung gegeben zu sein. Das erste Stück Im Frühling, ein Rückblick bringt das sogar schon im Titel zum Ausdruck. Die Musik hat eine mentale wie aber auch visualisierende Kraft. Man schaut zurück und kann die Sehnsucht nach der vergangenen Jahreszeit nachspüren, was aber sinnbildlich für das Leben stehen kann. 

MvK: Das kann ich alles unterschreiben und muss auch sagen, dass ich mich in der Romantik sehr heimisch fühle. Ich fühle mich aber auch sehr wohl in der Klassik, und natürlich im Impressionismus wie Debussy, Ravel, Fauré. Vernachlässigen möchte ich aber auch nicht meinen Zugang zur zeitgenössischen Musik wie z.B. von Arvo Pärt. Aber ich bin da wie gesagt nicht festgelegt. Ich muss einfach ein paar Takte, ein paar Akkorde hören und dann weiß ich, ob es passt oder nicht. Da gehe ich auch gar nicht so mit dem Verstand heran, sondern kann in kürzester Zeit aus dem Inneren heraus bestimmen. Sie müssen sich das vorstellen, als würden Sie sich ein Bild anschauen. Sie sagen dann ganz spontan: „Oh, was für ein wunderbares Gemälde!“ – oder: „Um Himmels willen!“ (lacht).

Auch der Musik moderner Komponisten widmen sich aktuelle CD-Veröffentlichungen von Michael van Krücker.
Auch der Musik moderner Komponisten widmen sich aktuelle CD-Veröffentlichungen von Michael van Krücker.
Wenn ich eine CD aufnehme, dann muss ich das Gefühl haben, dass ich mit der Aufnahme leben kann.

Man beschäftigt sich ja auch mit Sachen, die einem im ersten Moment vielleicht weniger zugänglich sind, aber es ist schon anders. Es bleibt eine Distanz…

MvK: Wenn ich eine CD aufnehme, dann muss ich das Gefühl haben, dass ich mit der Aufnahme leben kann. Ich finde dies extrem wichtig, gerade wenn man etwas einspielt. Wenn ich mir das nach vielen Jahren noch einmal anhöre, dann sollte ich damit auch noch einverstanden sein. Denn wenn es eingespielt ist, können Sie es nicht mehr zurückholen. Ein Konzert ist eine Momentaufnahme, aber eine CD lässt sich immer wieder auflegen und wiederholen.

Modern, kammermusikalisch: Arvo Pärt - Spiegel im Spiegel

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Romantik, Moderne und Klangmalerei

Die Kompositionen von Georg Schumann auf Ihrem Album müssen zu einer Zeit entstanden sein, als sich die musikalische Strömung schon klar in Richtung Moderne entwickelt hat. 

MvK: Richtig. Die Stücke hat Georg Schumann zwischen 1866 und 1904 komponiert. In diesem Zeitraum ist natürlich auch vieles entstanden. Zum Beispiel gab es ja in den 1890er Jahren die Vexations (übersetzt: Quälereien oder Plage) von Erik Satie (1866-1925). Dieses Stück – es besteht aus einem Thema mit zwei Variationen – müssen Sie 840 Mal wiederholen. Es gilt als eines der längsten Stücke in der Musikgeschichte und wohl als erster Vorläufer der Zwölftonmusik und führt über die serielle Musik der 1950er Jahre bis hin zu dem Versuch, Langeweile künstlerisch produktiv zu nutzen und zu erleben. Die gleichförmigen Wiederholungen nähern sich hierbei schon geradezu der Stille. 

So etwas gab es also auch schon, aber davon war Georg Schumann weit entfernt. Dies scheint ihn nie so interessiert zu haben, zumindest ist er seiner Linie immer sehr treu geblieben und auch die Überschriften seiner poesievollen Klaviermusik führen den Blick zurück in eine längst vergessene Zeit: Barcarolle, Am Morgen, Am Abend, Im Frühling, Rückblick, Erinnerungen.  

Auch wenn Georg Schumann hier klar in der romantischen Tonsprache verbleibt, so schimmern doch immer wieder moderne Elemente und Anklänge durch.

MvK: Ja, das stimmt. Es treten aber keine scharfen Dissonanzen auf, seine Werke haben immer eine klare Struktur und lassen die Musik im besten Sinne unterhaltsam und niemals langweilig wirken. Daher hat es mir auch so viel Freude gemacht, dieses Album aufzunehmen.

Ein Stück ist mir da besonders aufgefallen: Am Abend im Dom. Es hat einen schon starken klangmalerischen Ansatz.

MvK: Während der Aufnahme dieses Stücks haben wir im Team gemeinsam darüber länger diskutiert. Meine klangliche Vorstellung war dabei die Situation, ich wäre allein im Dom…

Ich habe mir beim Hören des Stücks spontan eine Notiz aufgeschrieben, darf ich vorlesen?

MvK: Aber gerne.

Kann man eigentlich noch leiser spielen?!? Es ist so gespielt, wie man sich in einer Kirche verhält. Es ist still und ohne auch nur einen Ton zu sagen spürt man den Raum.

MvK: Na, dann ist meine Vorstellung gut herübergekommen (lächelt).

In der Stimmführung wirkt das Stück so geradlinig wie ein Choral…

MvK: Ja, genau das war meine Intention. Ich wollte es unbedingt sehr langsam spielen und das Tempo halten. Es sollte eine Stille ausdrücken, die ich empfinde würde, wenn ich alleine im Dom säße. Mein Platz wäre in der Mitte, umgeben von Ruhe. Das Mondlicht würde schimmern und aus der Ferne vielleicht hörbar ein Geräusch.

In der Musik ist die Stille ein wichtiges Element.

… und doch schimmert der Klang des Raumes permanent durch – das finde ich bemerkenswert.

MvK: Für viele ist dieses Stück wegen der Stille und des langsamen Tempos eine sehr große Herausforderung. Aber ich glaube, wenn man genau diesen Zustand gut ertragen und aushalten kann, dann ist man schon innerlich sehr weit. Wenn man es nicht durchhalten kann, dann ist man noch im Außen gefangen.

Man muss sich darauf einlassen können. Manche können Stille oder weite Räume nicht gut ertragen, andere wiederum enge Räume oder Hektik…

MvK: Ich persönlich liebe die Stille. Und das Stück hat durchaus etwas Spirituelles. Auch in der Musik ist die Stille ein wichtiges Element und ich bin ein großer Freund von Pausen. Wenn eine Pause nicht richtig ausgehalten wird, dann verliert ein Musikstück sehr an Wirkung. Dieses Atmen einer Pause ist extrem wichtig.

Was heute im Leben oft fehlt, ist die innere Ruhe. Vielleicht ist das eine Erscheinung unserer hektischen und digitalen Zeit. Wenn Sie sich frühere Aufnahmen anhören, spüren sie diese innere Ruhe, diese Klangfreiheit, dieses Atmen, das ich sehr schätze.

Michael van Krücker über Klänge und Farben

Auf Ihrer Website erfährt man, dass Sie Synästhet sind und Musik als Verbindung von Klängen mit Farben erleben. Wie ist Ihnen das bewusst geworden? 

MvK: Das war eine komische Situation. Komponisten und Klänge haben bei mir bestimmte Farben. Bewusst wurde mir das erst bei einem Konzertbesuch. In der Pause habe ich einer Freundin gesagt, dass ich mir Brahms immer genauso vorgestellt hätte: grünlich! Oben ein wenig leuchtend und unten ein wenig gedämpft. Sie hat mich sehr irritiert angeschaut (lacht) und antwortete mir, dass das alles doch etwas merkwürdig sei, was ich da von mir gäbe. Bis zu dem Zeitpunkt war ich der festen Überzeugung, das jeder Mensch Musik auf diese Weise wahrnimmt. Entsprechend überrascht war ich darüber, dass das eben nicht der Fall ist.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie diese zusätzliche Wahrnehmungsebene Ihre Arbeit beeinflusst? 

MvK: Oh ja, tatsächlich: Die Vorbereitungen zu den Aufnahmen der Schumann-CD. Ich hatte mehrere Flügel zur Auswahl und habe ungefähr zwei Stunden gespielt und verglichen, welcher der Flügel zur klanglichen Farbe von Georg Schumann passt. Es ist etwas, dass ich nicht steuern kann, es ist spontan da, sobald ich Klänge oder Musik höre. 

Würden Sie sagen, dass diese Wahrnehmung auch hinderlich sein kann beim Musizieren?

MvK: Eigentlich nicht, da es ja, wie gesagt, für mich ganz normal ist. Es ist eher hilfreich für mich, zum Beispiel auch beim Unterrichten. Dabei kann ich vieles mit Farben beschreiben.

Michael van Krücker (Foto: Marsha Glauch)
(Foto: Marsha Glauch)

Michael van Krücker: Pianostudio „Piano am Park“

Sie schneiden da ein weiteres wichtiges Thema an: Neben Ihrer Tätigkeit als Konzertpianist betreiben Sie außerdem in Krefeld Ihr eigenes Pianostudio „Piano am Park“. Geben Sie auch in Zeiten der Pandemie weiterhin Unterricht?

MvK: Ja, das mache ich online – ich nutze dafür Skype, WhatsApp oder Facetime, das geht recht gut schon mit iPhone und iPad.

Gut, dass es technisch relativ einfach möglich ist. Aber eine Einschränkung ist es schon oder?

MvK: Also die Schülerinnen und Schüler, die ich online unterrichte, kenne ich schon etwas länger. Und sie können das recht gut einschätzen, welche Tipps ich ihnen gebe.

Ihrer Homepage kann man entnehmen: Klavierunterricht,  Workshops, Kammermusik, Hochschulvorbereitung. Kommt man zu Ihnen auch als Anfänger des Klaviers?

MvK: Das ist recht unterschiedlich – manche bereiten sich auf ihr Studium vor, manche kommen von der Hochschule zu mir, aber ich unterrichte auch Anfänger. Mir ist aber wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler aus sich selber heraus lernen wollen. Ich finde es schwieriger, wenn die Eltern da mit Druck dahinterstehen. 

Es ist sicher etwas anderes, ob man jemanden zum Lernen motivieren muss oder ob es eben ganz von allein kommt… 

MvK: Ja, das ganz bestimmt. Der jüngste Schüler an meiner Musikschule ist sieben Jahre alt – nach einem halben Jahr hat er bereits vier Klavierschulen gespielt. Aus absolut eigenem Antrieb, da habe ich manchmal schon eher das Gefühl, dass ich ihn bremsen muss (amüsiert). Generell geht es darum, dass ich merke, jemand bringt die Neugier mit, etwas Neues zu lernen. Aber wie gesagt, ist das ganz unterschiedlich: Der Jüngste ist 7, die älteste Schülerin ist über 80. Wenn Interesse und die Bereitschaft vorhanden ist, dass man etwas will, dann ist das überhaupt kein Problem.

Ansonsten habe ich gerade einige Schüler, die sich auf die Aufnahmeprüfung zum Musikstudium vorbereiten. Ich erkläre dann, was ungefähr auf sie zukommen wird und was sie wissen müssen. Wir gehen die Theorie und Gehörbildung etc. durch. Auch ein Programm von ca. 15-20 Minuten stelle ich mit den Schülern zusammen. Das geschieht immer gemeinsam, da ich verschiedene Programmideen einbringe. Wenn es also eine Haydn Sonate sein soll, dann lege ich erstmal mehrere Sonaten zum Kennenlernen nahe. Man stelle sich vor, ein Schüler musiziert etwas, bei dem er sich eigentlich fragt, warum er das spielen soll. Das kann ja nicht funktionieren.

Auch das muss sicher von einem selber kommen, damit auch die entsprechende Vertiefung stattfindet…

MvK: Das ist mir sehr wichtig. 

Ist es nicht letztendlich auch bei einer Aufnahmeprüfung wichtig, dass man etwas spielt, von dem man innerlich überzeugt ist und es mit voller Hingabe vortragen kann?

MvK: Ich für meinen Teil ziehe es vor, offen und flexibel mit der Programmgestaltung umzugehen, damit die innere Freiheit zum Musizieren gewährleistet ist.

Jetzt haben wir eben über Ihre Klangwahrnehmung und dann den Unterricht gesprochen – für viele ist neben dem klassischen akustischen Klavier das Digitalpiano Realität. Wie empfinden Sie den Klang von digitalen Instrumenten? Fällt das gleich durch die Wertung: klingt kalt, ist Simulation?

MvK: Also, ich gehe da ganz unvoreingenommen heran, denn ich höre mir grundsätzlich gerne alles an. Dabei geht es mir erstmal gar nicht darum, wie es in technischer Hinsicht entstanden ist und welche Möglichkeiten es gibt. Ich möchte zuerst davon berührt sein, sodass ich sagen kann: ‚Das ist Musik und sie kommt herüber‘. Ist das der Fall, dann ist doch schon viel erreicht.

Abschließend wäre da noch die Frage zum Üben und Lernen – wie gestaltet sich das bei Ihnen?

MvK: Ich habe mir angewöhnt, meine Zeit am Instrument so zu betrachten, als würde ich einen zurückgezogenen, ruhigen und schönen Ort betreten. Und freue mich dann, dass ich ganz für mich sein darf. Das Wort „üben“ ist für mich irgendwie negativ besetzt, da es so nach Arbeit klingt. Und es heißt doch Klavierspielen und nicht Klavierarbeit. Es ist ja ein Spiel, es muss spielerisch klingen – und sein.

Haben Sie da bestimmte Routinen, an denen Sie Ihr Übungspensum ausrichten?

MvK: Ich habe einige bestimmte Übungen, mit denen ich beginne. Aber man sollte sich das jetzt nicht so vorstellen, als würde ich um Punkt acht in der Früh damit beginnen und um 08:15 Uhr wäre ich damit fertig – so bin ich nicht. Es kann auch zeitlich flexibel sein, denn manchmal setze ich mich nur hin und musiziere. Das entscheide ich eher aus dem Bauch heraus.

Also steht eher das Musizieren, das Spielen selber im Vordergrund und nicht das Üben von bestimmten Läufen und Skalen?

MvK: Es kommt darauf an, auf welche Ebene man sich gerade befindet. In den meisten Stücken – wenn Sie jetzt beispielsweise Haydn- oder Mozart-Sonaten nehmen – haben Sie schon viele Läufe, die Sie in einem gemütlichen Tempo durchspielen können und quasi als „Trainingsskalen“ nehmen können. Aber ja – natürlich wäre es immer von Vorteil, etwas vorab zu studieren.

Was würden Sie Anfänger*innen und angehenden Konzertpianist*innen mit auf den Weg geben wollen?

MvK: Freude! Vor allem ist es wichtig, dass man Freude am Klavierspielen hat. Was ich allen, die anfangen und auch schon fortgeschritten sind, immer wieder sehr gerne sage: Das Klavierspielen ist wie eine Bergbesteigung. Die Luft wird dünner, aber der Blick wird schöner und weiter. Aber auch ganz wichtig dabei ist der Blick zurück. Denn so weit wie einem das Ziel vor Augen möglicherweise noch erscheint, ist es immer wichtig wahrzunehmen und sich bewußt zu machen, welchen Weg man schon bis hierher geschafft hat.

Herr van Krücker, vielen Dank für das Gespräch.

Internet-Links

Eine umfangreiche Informationsquelle über Michael van Krückers Schaffen ist der Youtube-Kanal namens „MvK“

Hier geht’s zur offziellen Website
Pianostudio „Piano am Park“
MvK auf Apple Music
MvK auf Spotify

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