Michael van Krücker: Pianostudio „Piano am Park“
Sie schneiden da ein weiteres wichtiges Thema an: Neben Ihrer Tätigkeit als Konzertpianist betreiben Sie außerdem in Krefeld Ihr eigenes Pianostudio „Piano am Park“. Geben Sie auch in Zeiten der Pandemie weiterhin Unterricht?
MvK: Ja, das mache ich online – ich nutze dafür Skype, WhatsApp oder Facetime, das geht recht gut schon mit iPhone und iPad.
Gut, dass es technisch relativ einfach möglich ist. Aber eine Einschränkung ist es schon oder?
MvK: Also die Schülerinnen und Schüler, die ich online unterrichte, kenne ich schon etwas länger. Und sie können das recht gut einschätzen, welche Tipps ich ihnen gebe.
Ihrer Homepage kann man entnehmen: Klavierunterricht, Workshops, Kammermusik, Hochschulvorbereitung. Kommt man zu Ihnen auch als Anfänger des Klaviers?
MvK: Das ist recht unterschiedlich – manche bereiten sich auf ihr Studium vor, manche kommen von der Hochschule zu mir, aber ich unterrichte auch Anfänger. Mir ist aber wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler aus sich selber heraus lernen wollen. Ich finde es schwieriger, wenn die Eltern da mit Druck dahinterstehen.
Es ist sicher etwas anderes, ob man jemanden zum Lernen motivieren muss oder ob es eben ganz von allein kommt…
MvK: Ja, das ganz bestimmt. Der jüngste Schüler an meiner Musikschule ist sieben Jahre alt – nach einem halben Jahr hat er bereits vier Klavierschulen gespielt. Aus absolut eigenem Antrieb, da habe ich manchmal schon eher das Gefühl, dass ich ihn bremsen muss (amüsiert). Generell geht es darum, dass ich merke, jemand bringt die Neugier mit, etwas Neues zu lernen. Aber wie gesagt, ist das ganz unterschiedlich: Der Jüngste ist 7, die älteste Schülerin ist über 80. Wenn Interesse und die Bereitschaft vorhanden ist, dass man etwas will, dann ist das überhaupt kein Problem.
Ansonsten habe ich gerade einige Schüler, die sich auf die Aufnahmeprüfung zum Musikstudium vorbereiten. Ich erkläre dann, was ungefähr auf sie zukommen wird und was sie wissen müssen. Wir gehen die Theorie und Gehörbildung etc. durch. Auch ein Programm von ca. 15-20 Minuten stelle ich mit den Schülern zusammen. Das geschieht immer gemeinsam, da ich verschiedene Programmideen einbringe. Wenn es also eine Haydn Sonate sein soll, dann lege ich erstmal mehrere Sonaten zum Kennenlernen nahe. Man stelle sich vor, ein Schüler musiziert etwas, bei dem er sich eigentlich fragt, warum er das spielen soll. Das kann ja nicht funktionieren.
Auch das muss sicher von einem selber kommen, damit auch die entsprechende Vertiefung stattfindet…
MvK: Das ist mir sehr wichtig.
Ist es nicht letztendlich auch bei einer Aufnahmeprüfung wichtig, dass man etwas spielt, von dem man innerlich überzeugt ist und es mit voller Hingabe vortragen kann?
MvK: Ich für meinen Teil ziehe es vor, offen und flexibel mit der Programmgestaltung umzugehen, damit die innere Freiheit zum Musizieren gewährleistet ist.
Jetzt haben wir eben über Ihre Klangwahrnehmung und dann den Unterricht gesprochen – für viele ist neben dem klassischen akustischen Klavier das Digitalpiano Realität. Wie empfinden Sie den Klang von digitalen Instrumenten? Fällt das gleich durch die Wertung: klingt kalt, ist Simulation?
MvK: Also, ich gehe da ganz unvoreingenommen heran, denn ich höre mir grundsätzlich gerne alles an. Dabei geht es mir erstmal gar nicht darum, wie es in technischer Hinsicht entstanden ist und welche Möglichkeiten es gibt. Ich möchte zuerst davon berührt sein, sodass ich sagen kann: ‚Das ist Musik und sie kommt herüber‘. Ist das der Fall, dann ist doch schon viel erreicht.
Abschließend wäre da noch die Frage zum Üben und Lernen – wie gestaltet sich das bei Ihnen?
MvK: Ich habe mir angewöhnt, meine Zeit am Instrument so zu betrachten, als würde ich einen zurückgezogenen, ruhigen und schönen Ort betreten. Und freue mich dann, dass ich ganz für mich sein darf. Das Wort „üben“ ist für mich irgendwie negativ besetzt, da es so nach Arbeit klingt. Und es heißt doch Klavierspielen und nicht Klavierarbeit. Es ist ja ein Spiel, es muss spielerisch klingen – und sein.
Haben Sie da bestimmte Routinen, an denen Sie Ihr Übungspensum ausrichten?
MvK: Ich habe einige bestimmte Übungen, mit denen ich beginne. Aber man sollte sich das jetzt nicht so vorstellen, als würde ich um Punkt acht in der Früh damit beginnen und um 08:15 Uhr wäre ich damit fertig – so bin ich nicht. Es kann auch zeitlich flexibel sein, denn manchmal setze ich mich nur hin und musiziere. Das entscheide ich eher aus dem Bauch heraus.
Also steht eher das Musizieren, das Spielen selber im Vordergrund und nicht das Üben von bestimmten Läufen und Skalen?
MvK: Es kommt darauf an, auf welche Ebene man sich gerade befindet. In den meisten Stücken – wenn Sie jetzt beispielsweise Haydn- oder Mozart-Sonaten nehmen – haben Sie schon viele Läufe, die Sie in einem gemütlichen Tempo durchspielen können und quasi als „Trainingsskalen“ nehmen können. Aber ja – natürlich wäre es immer von Vorteil, etwas vorab zu studieren.
Was würden Sie Anfänger*innen und angehenden Konzertpianist*innen mit auf den Weg geben wollen?
MvK: Freude! Vor allem ist es wichtig, dass man Freude am Klavierspielen hat. Was ich allen, die anfangen und auch schon fortgeschritten sind, immer wieder sehr gerne sage: Das Klavierspielen ist wie eine Bergbesteigung. Die Luft wird dünner, aber der Blick wird schöner und weiter. Aber auch ganz wichtig dabei ist der Blick zurück. Denn so weit wie einem das Ziel vor Augen möglicherweise noch erscheint, ist es immer wichtig wahrzunehmen und sich bewußt zu machen, welchen Weg man schon bis hierher geschafft hat.
Herr van Krücker, vielen Dank für das Gespräch.