Klassik- & Jazzklavier-Studium
Du hast sowohl Jazzklavier als auch klassisches Klavier studiert. Wie kam es dazu?
Als ich angefangen habe, Klavier zu spielen, habe ich erstmal jahrelang keine Noten gelesen. Meine Mutter hat mir anfangs alles über das Gehör beigebracht. Ich habe mich also noch nicht mit richtig und falsch herumgeschlagen, sondern mehr improvisiert und Lust gehabt, kleine Stücke zu komponieren. Aus dieser Grundhaltung heraus war es für mich gar nicht so grundsätzlich unterschiedlich, ob ich am Klavier sitze und vor mich hin spiele oder Mozart spiele. Diese Haltung habe ich innerlich immer noch, obwohl natürlich die Studiengänge sehr unterschiedlich waren und die Anforderungen in der Klassik und im Jazz sehr anders sind.
Aber wie bist du dann zum Jazz gekommen?
Mit neun Jahren kam ich erstmal zu einem anderen Lehrer. Da musste ich dann ganz schnell ganz gut Noten lesen lernen! Und mit 15 habe ich zusätzlich noch Jazzklavier-Unterricht bekommen. Ich hatte schon autodidaktisch Jazz gespielt und kannte schon viel, aber die ganzen Begriffe waren neu für mich. Es war also eher so ein Zusammenführen meiner autodidaktisch gesammelten Erfahrungen mit den offiziellen Bezeichnungen…
Welche Musiker haben dich damals am meisten inspiriert?
Auf jeden Fall Bill Evans mit seinem Trio. Das hat mich emotional sehr erreicht und dadurch hat die ganze Jazzwelt für mich erstmal eine Tür bekommen. Ich habe auch früher die Plattensammlung meiner Eltern geplündert. Da war auch viel Pop dabei wie Stevie Wonder, Beatles, Santana. Aber eben auch Jazz: Stan Getz, Chick Corea oder Keith Jarrett. Herbie Hancock habe ich sehr früh lieben gelernt. Meine Eltern hören auch gerne Jazz, vor allem schöne „klassische“ Jazzalben. Da waren auch viele Sänger dabei, zum Beispiel Ella Fitzgerald.
Du bist irgendwann nach New York gegangen und hast dort weiterstudiert…
Genau, ich hatte den Klassik-Studiengang noch nicht abgeschlossen, sondern erstmal den Jazz-Studiengang, bin dann aber nach New York gegangen, um dort noch einen Master zu machen. Eine wunderbare Zeit! Leider konnte ich das Stipendium nicht verlängern und habe deshalb nur ein Jahr lang dort studieren können. Ich bin dann nach Deutschland zurück gegangen und habe mein Klassik-Studium wieder aufgenommen und abgeschlossen. Jedoch blieb meine NY-Erfahrung gefühlt „unvollständig“, daher bin ich ein paar Jahre später auf eigene Faust wieder nach New York gegangen – ohne Studium.
Was hast du aus der Zeit in New York vor allem mitgenommen?
Im Studium war ich völlig vereinnahmt von den vielen Aufgaben der Manhattan School of Music. Es war intensiv, in einer Klasse mit 20 super talentierten, ehrgeizigen und hochmotivierten Studenten aus aller Welt zu sein, die so deutlich Verantwortung für ihre Karriere übernehmen und alles dafür geben. Das hab ich aus Deutschland so nicht gekannt. In Deutschland habe ich den Eindruck, man ist insgesamt eher etwas zurückhaltender, vielleicht auch respektvoller und bescheidener. Der amerikanischen Kultur entspricht eher, dass man wirklich alles geben muss, weil man komplett auf sich gestellt ist und somit eigentlich keine Alternative hat.
Mehr von New York selbst habe ich erst in den Jahren danach mitbekommen, als ich in Eigenregie noch einmal dort war. Da hatte ich dann auch mehr Berührung mit der Jazzszene vor Ort.