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Olivia Trummer

Olivia Trummer
(Foto: Ronald Göttel)
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Jazz, Klassik oder Pop? Hört man sich Aufnahmen von Olivia Trummer an, gewinnt man den Eindruck, dass sie sich in all diesen Bereichen gleichermaßen zu Hause fühlt. Die vielfach ausgezeichnete Pianistin, Komponistin und Sängerin gehört zu den wenigen Musiker*innen, die sowohl eine Jazz-Ausbildung als auch ein klassisches Klavier-Studium absolviert haben.

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Die Grenzen waren für sie schon immer fließend. Anstatt nur nach Noten zu spielen, spielte sie von Anfang an nach Gehör und komponierte bereits als Kind eigene Stücke, noch bevor sie so richtig mit klassischer Literatur in Berührung kam. Auch wenn man heutzutage bei Improvisation sofort an Jazz denkt, wurde in der klassischen Musik immer schon improvisiert. Dieser Spirit scheint bei Olivias Spiel immer durch, ob mit dem Olivia Trummer Trio, in ihrem Projekt Classical to Jazz oder auf dem Duo-Album The Hawk mit der israelischen Flötistin Hadar Noiberg.

Beethoven Choralfantasie zur Eröffnung des Beethoven-Jahres in Bonn

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2014 nahm sie in USA ihr Album Fly Now auf, zusammen mit einigen prominenten Musikern der New Yorker Jazzszene wie Matt Penman (Bass), Obed Calvaire (Drums) und Kurt Rosenwinkel (Gitarre). Das Album ist abwechslungsreich und anspruchsvoll, aber kein bisschen verkopft – absoluter Anspieltipp! Gesangsmelodien, die ins Ohr gehen und eine groovige Rhythmusgruppe treffen auf moderne Jazz-Harmonien, energiegeladene Soli (auch im Gesang!) auf schöne Balladen und dank Kurt Rosenwinkel gibt es sogar ein paar atmosphärische und leicht angezerrte Gitarrensounds.

Im Zentrum stehen aber natürlich Stimme und Klavier. Apropos Klavier: Auch bei den Tasten gibt es auf Fly Now mehr zu entdecken als nur den akustischen Flügel. Das vorletzte Stück ist ein Duett zwischen Wurlitzer-E-Piano und Moog – ein Sound, den man vorher bei Olivia Trummer so noch nicht gehört hat. Wie es dazu kam und welche Projekte als nächstes anstehen, verriet uns Olivia Trummer im Interview.

Olivia, wie hast du die Corona-Zeit verbracht? Viele Leute haben ja die Zeit genutzt, um mal etwas ganz anderes zu machen…

Bei mir war tatsächlich auch die Reaktion, erstmal was anderes zu machen. Als das so dramatisch wurde, war ich gerade noch mit einer Flötistin aus Amerika auf Tour. Und dann wurde über Nacht dieser Flight Ban angekündigt für den nächsten Tag. Wir haben praktisch in der gleichen Nacht noch einen Flug für sie buchen müssen, damit sie überhaupt noch nach Hause kommt. Ich bin dann erstmal bei meinen Eltern untergeschlupft, weil ich gerade in der Nähe auf Tour war und bin dort sechs Wochen geblieben. Letzten Endes war das eine sehr schöne Zeit und eine intensive Begegnung mit meinen Eltern. Ich habe meinem Vater Yoga-Übungen beigebracht und habe angefangen, Brot zu backen. Es waren sehr schöne Momente zu Hause.

Ich habe erstmal gar nicht viel Musik gemacht, sondern mehr gezeichnet. Ich wollte schon einen Kommentar zur Situation loswerden, aber nicht unbedingt durch die Musik. Ich zeichne schon seit vielen Jahren und habe dann angefangen, Karikaturen zu zeichnen. Es entstand tatsächlich auch die Idee, irgendwann ein Buch daraus zu machen. Mittlerweile ist musikalisch doch wieder einiges los, so dass ich das Projekt noch nicht abschließen konnte.

Du hast also auch keine Streaming-Konzerte gespielt?

Ich habe mich da anfangs bewusst zurückgehalten. Ich finde, viele sind sehr schnell nervös geworden und haben gedacht, sie verschwinden jetzt von der Erdoberfläche, wenn sie nicht gleich spielen können. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe mir teilweise Streaming-Konzerte angeschaut, aber nicht viele. Und ich muss sagen, es hat einen großen Unterschied gemacht, wenn man ein bisschen was gezahlt hat – auch wenn es nur fünf Euro waren. Es hatte eine größere Verbindlichkeit, wie eben auch, wenn man zu einem echten Konzert geht. Es besteht finde ich schon die Gefahr, sich zu sehr unter Wert zu verkaufen, wenn man alles für umsonst und für Spenden raussendet. Ich glaube, da tut man sich keinen Gefallen. Den Zuhörern auch nicht unbedingt, weil die ja überflutet werden mit Angeboten.

Es gibt wie bei allem eine goldene Mitte. Die muss jeder für sich definieren. Für mich ist die goldene Mitte da gewesen, dass ich eher gewartet habe, was kommt. Es ergab sich dann auch ganz aus dem Blauen heraus ein Projekt, bei dem ich für Bayer Kultur ein Konzert als Video produzieren sollte – von zu Hause aus. Da ich noch bei meinen Eltern war und die einen Flügel zu Hause haben, hat das auch gut gepasst. Die Aufnahmen entstanden ganz “homemade” und simpel mit einem iPad, einem Smartphone über der Tastatur und einem Zoom-Pocket-Rekorder für den Ton. Da habe ich mir viel Mühe gegeben, mich dafür auch eingehend mit iMovie beschäftigt und viel dabei gelernt.

Olivia Trummer: “Concert from Home” vom April 2020

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Klassik- & Jazzklavier-Studium

Du hast sowohl Jazzklavier als auch klassisches Klavier studiert. Wie kam es dazu?

Als ich angefangen habe, Klavier zu spielen, habe ich erstmal jahrelang keine Noten gelesen. Meine Mutter hat mir anfangs alles über das Gehör beigebracht. Ich habe mich also noch nicht mit richtig und falsch herumgeschlagen, sondern mehr improvisiert und Lust gehabt, kleine Stücke zu komponieren. Aus dieser Grundhaltung heraus war es für mich gar nicht so grundsätzlich unterschiedlich, ob ich am Klavier sitze und vor mich hin spiele oder Mozart spiele. Diese Haltung habe ich innerlich immer noch, obwohl natürlich die Studiengänge sehr unterschiedlich waren und die Anforderungen in der Klassik und im Jazz sehr anders sind.

Aber wie bist du dann zum Jazz gekommen?

Mit neun Jahren kam ich erstmal zu einem anderen Lehrer. Da musste ich dann ganz schnell ganz gut Noten lesen lernen! Und mit 15 habe ich zusätzlich noch Jazzklavier-Unterricht bekommen. Ich hatte schon autodidaktisch Jazz gespielt und kannte schon viel, aber die ganzen Begriffe waren neu für mich. Es war also eher so ein Zusammenführen meiner autodidaktisch gesammelten Erfahrungen mit den offiziellen Bezeichnungen…

Welche Musiker haben dich damals am meisten inspiriert?

Auf jeden Fall Bill Evans mit seinem Trio. Das hat mich emotional sehr erreicht und dadurch hat die ganze Jazzwelt für mich erstmal eine Tür bekommen. Ich habe auch früher die Plattensammlung meiner Eltern geplündert. Da war auch viel Pop dabei wie Stevie Wonder, Beatles, Santana. Aber eben auch Jazz: Stan Getz, Chick Corea oder Keith Jarrett. Herbie Hancock habe ich sehr früh lieben gelernt. Meine Eltern hören auch gerne Jazz, vor allem schöne „klassische“ Jazzalben. Da waren auch viele Sänger dabei, zum Beispiel Ella Fitzgerald.

Du bist irgendwann nach New York gegangen und hast dort weiterstudiert…

Genau, ich hatte den Klassik-Studiengang noch nicht abgeschlossen, sondern erstmal den Jazz-Studiengang, bin dann aber nach New York gegangen, um dort noch einen Master zu machen. Eine wunderbare Zeit! Leider konnte ich das Stipendium nicht verlängern und habe deshalb nur ein Jahr lang dort studieren können. Ich bin dann nach Deutschland zurück gegangen und habe mein Klassik-Studium wieder aufgenommen und abgeschlossen. Jedoch blieb meine NY-Erfahrung gefühlt „unvollständig“, daher bin ich ein paar Jahre später auf eigene Faust wieder nach New York gegangen – ohne Studium.

Was hast du aus der Zeit in New York vor allem mitgenommen?

Im Studium war ich völlig vereinnahmt von den vielen Aufgaben der Manhattan School of Music. Es war intensiv, in einer Klasse mit 20 super talentierten, ehrgeizigen und hochmotivierten Studenten aus aller Welt zu sein, die so deutlich Verantwortung für ihre Karriere übernehmen und alles dafür geben. Das hab ich aus Deutschland so nicht gekannt. In Deutschland habe ich den Eindruck, man ist insgesamt eher etwas zurückhaltender, vielleicht auch respektvoller und bescheidener. Der amerikanischen Kultur entspricht eher, dass man wirklich alles geben muss, weil man komplett auf sich gestellt ist und somit eigentlich keine Alternative hat.

Mehr von New York selbst habe ich erst in den Jahren danach mitbekommen, als ich in Eigenregie noch einmal dort war. Da hatte ich dann auch mehr Berührung mit der Jazzszene vor Ort.

Olivia Trummer (Foto: Rob Stirner)
(Foto: Rob Stirner)

Jazz spielen: In den USA und hierzulande

Worin unterscheidet sich das Jazzspielen in New York vom Jazzspielen in Deutschland, zum Beispiel in Berlin oder Stuttgart?

Irgendwie hat man in New York das Gefühl, dass dort der Jazz entstanden ist – und das bringt Rechte und Pflichten. Man fühlt sich vielleicht stärker der Tradition verbunden. Hier in Deutschland gibt es natürlich mehr europäische Strömungen, z.B. mehr Klassik-Einflüsse.

Ich würde auch sagen, in New York merkt man stärker den “Wettbewerbs-Instinkt” zwischen den Musikern und Solisten, und eine aggressivere Werbung ums Publikum. Die Herausforderung in Deutschland besteht eher darin, etwas vermeintlich „Neues”, Ungewöhnliches zu machen. In New York ist man eher davon abhängig, in einer bereits bestehenden Kategorie zu brillieren. Das kann auch Free Jazz sein, aber man muss halt ein bestimmtes Publikum ansprechen. In den USA gibt es keine sozialen Strukturen wie hierzulande, die einen im Notfall auffangen, bzw. auch Projekte ermöglichen, die eigentlich kein breites Publikum ansprechen.

Meinst du, Jazz ist in Deutschland weniger publikumsorientiert?

Es gibt zumindest manchmal so eine Diskrepanz: Manches wird in der Presse sehr gelobt, obwohl es kaum Publikum findet, und andersrum. Die Einteilung in “Ernste Musik” und “Unterhaltungs-Musik” ist zudem verwirrend: Jazz wird üblicherweise der “U-Musik” zugeordnet, obwohl dahinter hochkomplexe Strukturen und Anforderungen stecken. Man versucht also als Jazzmusiker, irgendwie in die Kategorie der ”E-Musik” zu kommen (die z.B. auch von der GEMA besser vergütet wird), was dann unterbewusst zu ziemlich verkopfter Musik führen kann, die eigentlich am Publikum vorbeigeht.

Olivia Trummer im Duo

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Olivia Trummer über das Klavierüben

Lass uns mal über das Klavierüben sprechen. Wie viel Zeit bleibt dir überhaupt noch zum Üben?

Also mittlerweile ist es eigentlich schon ein Luxus geworden, mich so richtig ins Üben zu vertiefen. Da kann ich froh sein, dass ich früher wahnsinnig viel Zeit am Klavier verbracht und geübt habe. Heutzutage ist es schon viel, wenn ich zwei Stunden am Tag konzentriert am Klavier sitze. Es gibt natürlich Phasen, in denen ich viel übe, zum Beispiel letztes Jahr, als ich mich auf ein Beethoven-Konzert vorbereitet habe – oder in denen ich viel Jazz und Improvisation übe. Aber es gibt eben auch Tage, wo ich kaum dazu komme, weil ich es nicht schaffe, mir den Kopf freizuräumen.

Wie sieht das Üben bei dir aus?

Normalerweise fange ich mit ein bisschen Klassik an und drifte dann ab. Ich greife für Technik auch gerne zu Etüden. Mittlerweile kann ich das Aufgeschriebene schätzen, weil man sich gut daran “festhalten”, Dinge wiederholen und vertiefen kann. Ich höre auch Solos aus Jazz-Stücken heraus, z.B. Bläser-Solos. Das ist eine sehr gute Übung fürs Gehör. Aber die meiste Zeit fließt nach wie vor in das Komponieren eigener Stücke. Und letztendlich auch ins Üben meiner Stücke, weil die nicht alle so leicht sind (lacht).

Entstehen bei dir aus dem Üben heraus auch öfter neue Songideen?

Ja, es war oft so. Mittlerweile habe ich aber so viele schöne, bisher unveröffentlichte Songs, dass es nicht meine Priorität ist, neue zu schreiben. Vielmerh möchte ich an den bisherigen feilen, sie aufnehmen und schließlich veröffentlichen. Ich versuche also möglichst konzentriert zu üben oder eben bei meinen bisherigen Songs weiterzukommen.

Olivia Trummer solo

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Olivia Trummer: Akustisch & elektronisch

Benutzt du öfters auch mal Keyboards, oder bist du da eher puristisch und bleibst lieber beim akustischen Instrument?

Ich komme schon eher von der akustischen Seite, auch durch meine Erfahrung mit der Klassik. Ich habe noch kein Keyboard gespielt, das das Gefühl am Flügel ersetzen konnte. Aber ich schätze die klanglichen Möglichkeiten des Keyboards und sehe darin ein eigenständiges Instrument. Bisher fehlt mir die Zeit und vielleicht auch der Ehrgeiz, mich richtig in die unbegrenzten Klangmöglichkeiten zu vertiefen. Ich mag aber den Klang von Rhodes und Wurlitzer sehr gerne und spiele die auch regelmäßig.

Auf Fly Now spielst du allerdings sogar einen Moog…

Ja genau, da haben wir bei Kurt in seinem Studio aufgenommen und da gab es eben auch einen Moog. Auf dem Album habe ich mich sogar spontan an die Hammond-Orgel des Studios gesetzt, um dem Song Precious Silence noch mehr „Glanz“ zu verleihen. Tendenziell sehe ich mich aber weniger als “Klangmalerin” mit vielen bunten Farben, sondern eher als “Zeichnerin”. Ich versuche eher, meine Ideen in schwarz und weiß auf den Punkt zu bringen und den Hörer durch die Kraft des organischen Musikstroms in seine eigene, farbige Erlebniswelt zu führen.

Ist schon ein nächstes Album in Planung?

Ja, ich habe gerade letzte Woche ein neues Album im Duo mit meinem Schlagzeuger (und Freund) Nicola Angelucci aufgenommen. Die Aufnahmen sind mit viel analogem Equipment im gleichen Studio entstanden wie mein letztes Album: Sehr unkompliziert angelegt, beide im gleichen Raum, auch mit Gesang, also fast wie “live”! Das Duo-Album soll möglichst noch dieses Jahr auf dem Label flavoredtune erscheinen und wird Dialogue’s Delight heißen.

Vielen Dank für das Interview, Olivia!

Web-Links zu Olivia Trummer

Offizielle Website von Olivia Trummer
Olivia Trummers Diskographie bei discogs.com
Olivia Trummer bei Spotify
Olivias Instagramm-Seite

Olivia Trummer Trio

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