Die richtige Körperhaltung am Klavier

Viele Pianisten unterschätzen die Rolle des Körpers beim Klavierspielen, denn scheinbar drückt man ja nur ein paar Tasten mit den Fingern. Eine falsche Körperhaltung wirkt sich allerdings stark auf Spieltechnik und Klang des Klavierspiels aus, von körperlichen Problemen wie Schmerzen oder gar Verletzungen ganz abgesehen.    

Welche Körperteile außer den Fingern am Klavier sonst noch wichtig sind, wie sie geschont und geschützt werden können und worauf es bei Haltung und Bewegung grundsätzlich ankommt, erfährst du in diesem Teil unserer Workshop-Reihe: Die richtige Körperhaltung am Klavier.

Oberkörper und Kopf

Wer hat in jüngeren Jahren von seinen Eltern nicht schon einmal die Aufforderung gehört: „Sitz gerade!“? Wie so oft gibt es dafür auch einen Grund, denn über einen längeren Zeitraum in der „falschen“ Haltung verspannt der Körper in der Regel, nimmt Schaden oder gewöhnt sich vielleicht sogar an diese Position. Das gilt natürlich auch beim Klavierspielen.

Außerdem ist es wichtig zu verstehen, dass sich an einem akustischen Instrument jedes Körperteil auf den Klang des Klavierspiels auswirkt. Ist der Körper an einer Stelle blockiert, fest oder verspannt, hört man das. Am besten also all diese Probleme von Anfang an durch eine gerade und aufrechte Haltung verhindern. Dazu gehören übrigens auch Kopf und Hals, die dafür gerade über dem Körper stehen müssen.

Stelle dir einfach vor, du bist im Sommerurlaub, sitzt am Strand, hast ein kühles Getränk in der Hand und schaust dir fasziniert den Sonnenuntergang an. In dieser Situation würdest du niemals dich krumm hinsetzen und dadurch verspannen. Versuche dieses freie Gefühl mit ans Klavier zu nehmen und sitze gerade und aufrecht.

Der Unterkörper

Ja, auch der Unterkörper ist am Klavier tatsächlich nicht ganz unwichtig. Speziell die Hüfte ist beim Klavierspielen von Interesse, denn die spielt nicht nur im Alltag beim Stehen und Sitzen eine wichtige Rolle, wenn es um die Körperhaltung geht.

Am Klavier hilft die Hüfte dabei, eine aufrechte Körperhaltung auch auf längere Zeit einnehmen zu können. Dafür stellen wir den linken Fuß nicht vor uns auf, sondern ziehen ihn weit zurück, bis unter die Klavierbank, so weit, dass die Ferse keinen Kontakt mehr zum Boden hat.

Dadurch wird die Hüfte leicht nach vorne gekippt und das aufrechte Sitzen fällt deutlich leichter. Dieser Effekt wird unterstützt, wenn du dich zusätzlich ganz an den vorderen Rand deiner Sitzgelegenheit setzt. Der rechte Fuß geht dabei wie gewohnt ans Dämpferpedal. Probiere das beim nächsten Klavierüben unbedingt aus!

Arme und Ellbogen

Falls du bereits „Die richtige Sitzposition am Klavier“ gelesen hast, weißt du, dass deine Ellbogen für freies Klavierspiel vor deinem Körper sein müssen. Nur so kannst du deine Arme nach links und rechts wirklich frei bewegen, ohne zu blockieren oder fest zu werden.

Und das erfordert eine gewisse Distanz zur Tastatur. Wer zu nah am Klavier sitzt, riskiert dagegen Verspannungen, Schmerzen oder Sehnenscheidenentzündungen. Schau dir am besten unsere Tipps dazu im ersten Teil unserer Workshop-Reihe an.

Jetzt kommen wir zu einem kleinen Widerspruch. Sind die Ellbogen nämlich vor dem Körper, ist das an sich keine natürliche Haltung mehr. Falls du also Probleme beim Klavierspielen hast, ist es deshalb umso wichtiger, dass du immer wieder überprüfst, ob sich deine Arme und Ellbogen, aber natürlich auch dein gesamter Körper, komplett frei und locker anfühlen.

Achte zudem darauf, dass das Gewicht deiner Arme auf den Tasten liegt und du sie nicht permanent etwas anhebst, um Verspannungen und Blockaden zu vermeiden. Denk wieder an unser Beispiel vom Sonnenuntergang am Urlaubsstrand. Deine Bewegungen sollen ohne Anstrengung sein und sich frei und natürlich anfühlen.

Die Schultern

Bei den Schultern ist es einfach nur wichtig, dass sie so gut es geht in ihrer natürlichen Position bleiben, wenn du deine Arme Richtung Tastatur nimmst. Denn eine schlechte Haltung beginnt oft bei vorgefallenen Schultern. Je natürlicher sich dein ganzer Körper beim Klavierspielen anfühlt, desto besser. Falls du beim Üben Verspannungen spürst, überprüfe doch kurz, ob du aufrecht und entspannt am Klavier sitzt.

Kurzer Hinweis zum Schluss

Alle Tipps aus diesem Artikel sind Richtlinien und Guidelines, über die jeder Pianist selbst versuchen sollte, die für ihn beste Körperhaltung am Klavier zu finden. Natürlich erheben wir keine Allgemeingültigkeit, dafür ist der menschliche Körper einfach zu individuell.

Hinzu kommen bestimmte Vorlieben beim Sitzen am Klavier, man denke nur an den russischen Pianisten Jewgeni Kissin, der seinen Oberkörper beim Spielen meist stark nach vorne beugt. Profis seines Kalibers haben über die Jahre oft ihren ganz eigenen Weg gefunden; angefangen haben sie aber alle mit der richtigen Körperhaltung am Klavier.