Voyager IV Pictures At An Exhibition unterwegs
Mit eurem Projekt Voyager IV erweckt ihr das Thema zu neuem Leben. So wie ihr es als Live-Konzert spielt, wirkt das Ganze auf mich aber nicht wie museale Pflege. Erstaunlich schon mal wie zeitlos doch die Musik von ELP ist. Aber ich bin begeistert, wie lebhaft ihr mit den originalen Elementen spielerisch umgeht und Neues hinzufügt.
Marcus Schinkel (MS): Wir möchten das zeitlose herauskehren und bewahren, …
Johannes Kusta (JK): …. aber das Original ist für uns zunächst eine Art Rohmaterial.
MS: Gestern haben wir ein tolles Kompliment von Keith Emersons Lebensgefährtin bekommen. Sie hat auf einen Konzertmitschnitt reagiert, den wir auf Facebook geteilt haben. Sie hat sich gefreut zu sehen, wie frei wir mit dem Material umgehen. Sie sagte auch, dass Keith Emerson so etwas immer gut fand. Das kam dann schon einem Ritterschlag gleich. Wir wollen ja nicht eine reine Tribute Band sein, die – wie sonst üblich – alles 1:1 nachspielt. Es geht uns ja gerade darum, freigeistig mit dem Material umzugehen.
JK: Das Rohmaterial sind im Grunde genommen ja auch die Motive von Mussorgski, die ELP in ihrer Zeit beleuchtet haben. So machen wir das nun heute in unserer Zeit. Die originalen Motive halten das aus, das ist wohl das Zeitlose daran.
Das zeigt sich ja deutlich auch im Instrumentarium, das ihr im Studio und auch live einsetzt. Vor allem bei dir Johannes – du bist der Sänger, bringst dich aber als Multi-Instrumentalist mit einem breiten Spektrum an Percussion und Elektronik ein. Eine Hangdrum z.B. gab es aber damals auch nicht.
JK: Wir sind beide eben auch sehr verspielt. Wir mögen Sounds und setzen uns gerne mit neuer Technik auseinander.
Ich könnte mir vorstellen, dass ihr beim Songwriting ganz ähnlich verspielt vorgeht?
JK: Da geht es mir meistens um einfache Strukturen, an denen man festhalten kann. Ich bin da klar der konstantere Typ. Ich mag Songs und Melodien, die man – wenn man so will – auf dem Kamm blasen kann.
MS: Für uns beide war es am Anfang auch eine Findungsphase. Als Jazzer denke ich oft komplizierter, während Johannes dann mit seinen Pop-Songstrukturen dagegenhält, um Dinge zu vereinfachen. Wenn er als Songwriter ein Stück mit Text und Vocals hat, dann muss die Musik Song-dienlicher sein.
JK: Es war eine tolle Herausforderung, aus den Mussorgski-Motiven Songs zu entwickeln. Und das wäre so gesehen meine Art, die Bilder eine Ausstellung in unsere Zeit zu bringen.
MS: Etwas, das bei bei meinen Theaterprojekten gelernt habe: Die Gegensätze sind wichtig. Das heißt, wenn du z.B. die ganze Zeit 16tel-Noten Synthesizer-Wahnsinn machst, dann kriegt man irgendwann nichts mehr mit. Wenn du aber immer wieder Ruhepunkte setzt, kannst du danach um so besser wieder einen raushauen. Mehr Kontrast, mehr Amplitude.
Das kommt bei euch tatsächlich sehr locker rüber. Von virtuosen Jazzrock-Eskapaden wieder zurück zur Form des Songs – das alles wirkt sehr frei gespielt.
MS: In unserer Musik spiegelt sich ja nicht nur die Bilder einer Ausstellung wieder. Es ist auch irgendwie unser ganz persönlicher Soundtrack – und das geht ganz querbeet von ELP über George Duke, Pink Floyd bis John Lord.
Und es wirkt auf mich, als wolltet ihr euch auch gar nicht festlegen: Ist es nun Prog-Rock, Jazzrock oder Pop?
MS: Die Grenzen sind da ohnehin fließend. Bands wie Genesis oder Pink Floyd haben in ihrer Anfangszeit in den frühen Siebzigern auch sehr viel improvisiert. Auch wenn die Stücke irgendwann eine feste Form bekamen, aber die haben früher sehr viel gejammt. Wenn man so will ja auch eine Form Jazz.
JK: Mit unserem Projekt haben wir inzwischen eine gesunde Mischung aus fest arrangierten und frei gespielten Teilen. Trotz festem Arrangement bleibt es bei etwa einem Drittel spannend, wo man eben dann nicht zu 100% weiß, wo die Reise hingehen wird.