Test: Clavia Nord Piano 6 – Stagepiano mit flexibler Sound-Library

Der schwedische Hersteller Clavia vermacht dem neuen Nord Piano 6 viele Eigenschaften des Nord Grand 2. Mehr Bedienkomfort und Flexibilität bringen das neue Layer-Konzept und eine erweiterte Effekt-Architektur. Aber ist es auch in Klang und Spielgefühl der riesige Schritt nach vorne?

Wer beim neuen Nord Piano 6 mit mehr Speicher und großen Neuerungen gerechnet hat, dürfte spontan ein wenig enttäuscht sein. Denn zumindest anhand der Eckdaten wie Speicher & Polyfonie etc. bleibt alles wie beim Vorgänger. Auch beim Design hat sich nicht viel getan. Alles bleibt natürlich rot, auch die Seitenteile aus Holz, die dem robusten Gehäuse einen wertigen Touch geben.

Das schnörkellose und kompakte Design machen das Instrument transportabel, allerdings ist die 88er-Version des Nord Piano 6 mit knapp 20kg kein Fliegengewicht. Wenn man bedenkt, dass für den Transport auch noch ein Sustainpedal, Notenhalter, Kabel und eine Transporttasche einzuplanen wären, da kommt schon einiges an Gewicht zusammen.

Aber das bringt das Spielgefühl einer gewichteten Hammemechanik eben auch mit sich. Das kleinere Modell mit 73er Tastatur bringt eine leichte Ersparnis nicht nur beim Gewicht (16kg), sondern auch im Preis.

Einen großen Move allerdings macht das Nord Piano 6 in Sachen Bedienkomfort – vor allem bei den klanglichen Details und Feinheiten. Welchen Unterschied das Layer- und Effekt-Konzept bringt, das durften wir schon im Vergleich von Nord Grand 1 & 2 bestaunen. Genauso verhält es sich nun auch beim Nord Piano 6.

Neue Layer? Nord Piano 6 vs. Gen. 5

Bereits beim Nord Piano 5 finden wir großzügige Layer-Möglichkeiten vor. Nicht nur zwei unabhängige Sound-Sektionen – Piano & Sample Synth – sind vorhanden. In jeder Sektion gibt es zwei Parts A & B, die zu Layer-Kombinationen zusammengeschweißt werden können.

Lediglich beim Handling von Lautstärken und der Effektzuweisung macht das Nord Piano 6 einen großen Schritt. Zunächst in den einzelnen Sektionen selbst: Hier gibt es nun LED-Fader für jeden Layer-Anteil. Damit verläuft das Einstellen von Klangkombinationen gleich viel intuitiver. Praktisch dabei: Man hat die Lautstärken immer gut im Blick und hat unmittelbaren Zugriff darauf, ohne – etwas lästig beim Nord Piano 5 – die Parts über die beiden Buttons ständig umzuschalten.

Neue Piano-Sounds?

Eigentlich erwartet man bei einem neuen Stagepiano immer auch ein Update der Piano-Sounds. Mit den Nord Instrumenten geht Clavia allerdings einen anderen Weg. So wie alle anderen Instrumente – angefangen beim Nord Electro bis zum Nord Grand – bedient sich auch das Nord Piano 6 bei den bekannten Sound-Libraries. Die Nord Piano Library sowie auch die Nord Sample Library sind für Nord User frei zugänglich.

Über die Nord-Website kann man jederzeit auf die Sounds zugreifen. Insofern weiß man eigentlich, was man mit einem Nord Instrument erwarten darf: Da das Angebot stetig mit neuen Sounds ergänzt wird, hat man immer die neusten Sounds am Start – egal, welches Nord Keyboard man besitzt.

Die Piano-Sounds beinhalten vom brillanten Konzertflügel bis zum charmanten Upright-Piano mehr als man erwarten würde. Man findet hier eigentlich immer das passende Timbre für Klassik, Jazz, Rock, Singer/Songwriter. Sounds für ansprechende Piano-Begleitungen, einfühlsame Piano-Solo-Passagen und spritzige Solos. Allen Sounds gemeinsam ist eine tolle Klangqualität und ein ausdrucksstarkes, lebhaftes Spielgefühl.

Darüber hinaus gibt es auch Sound Collections und Signature Sound Banks von bekannten Keyboardern und Pianisten, darunter J3PO,  Brandon Coleman (Kamasi Washington), Sean „SynthSei“ Alexander u.v.a.m.

Ein weiterer Vorteil ist das flexible Speichersystem der Nord Instrumente. Mit Hilfe des Nord Sound Manager kann man sich aus dem Sound-Angebot seine Lieblingssounds zusammenstellen und dauerhaft in das Instrument übertragen. Nach wie vor gibt dieses an sich tolle System aber auch Anlass zur Kritik: Eine App, mit der man unterwegs dann mit dem Smartphone oder einem Tablet Sample-Sets verwalten könnte, ist inzwischen wirklich überfällig.

Sample Synth: Mega Soundqualität!

Den Sample Synth sollte man nicht unterschätzen, denn diese Sektion macht im Vergleich zu anderen Stagepianos den qualitativen Unterschied. Die Sample-Synth-Library enthält all die Sounds, die man sonst gemeinhin als schmückendes Beiwerk bezeichnet. Entsprechend zweiter Klasse darf man diese Sounds bei herkömmlichen Digitalpianos einordnen. Nicht so beim Nord Piano 6! Denn hier bekommt man eine Klangqualität geboten, die mit den Sounds der Piano-Sektion ebenbürtig erscheint. Exzellente Sounds in allen Sparten.

Nicht ganz so umfangreich wie etwa beim Nord Stage fallen die Möglichkeiten aus, die Sounds zu editieren. Allerdings erlauben die vorhandenen Funktionen die wichtigsten Settings, die man schnell zur Hand haben möchte, um Sounds im Klang anzupassen. Die Strings ein wenig sanfter einschwingen lassen, die Brass-Sounds etwas knackiger im Attack – alles kein Problem.

Neues FX-Konzept

Diesen Game-Changer konnte man schon beim Nord Stage 4 und zuletzt beim Nord Grand 2 feiern. Pro Layer gibt es nun ein komplett eigenes Effekt-Setup – einzige Ausnahme: Die Reverb-Sektion bleibt ein Master-Effekt. Allerdings ist der Effekt anteilig pro Layer individuell einzustellen.

Beim Nord Piano 6 man kann die Effekt-Sektionen für jeden einzelnen Layer individuell einstellen: Das Electric Grand mit nur leichtem Chorus und Delay, während ein Fender Rhodes als Layer das volle Programm mit Stereo Tremolo und Phaser bekommt? Pad-Sounds aus der Sample-Synth-Sound wiederum bekommen viel Delay, Phasing und Chorus? Alles kein Problem dank der neuen Effekt-Architektur des Nord Piano 6.

Im Vergleich zum Nord Piano 5 gelingt so ein deutlich differenzierterer Mix der maximal vier möglichen Layer-Sounds. Aber es gibt noch andere klanglich relevante Details. So etwa die Unison-Funktion für fetteste Lead-Sounds.

Was bringt Dynamic Compression?

Eine extrem nützliche Neuerung nennt sich Dynamic Compression. Gerade bei leisen und emotionalen Piano-Passagen hält diese Funktion den Sound immer im Fokus.

Das wirkt sich absolut positiv auf das Spielgefühl aus, denn – egal, ob man sehr sanft spielt oder richtig reinhaut: In der Dynamic bleibt man immer auf Sendung, der Sound stimmt und man spielt solche Parts mit einer gewissen Souveränität, selbst bei schwierigsten Lautstärke-Verhältnissen auf der Bühne.

Dynamic Compression wirkt auf das Dynamikverhalten der Sound-Mappings, ist also nicht zu vergleichen mit einem Audio-Compressor. Entsprechend produziert Dynamic Compression keine Ducking-Effekte eines Audio-Compressors. Wenn man das möchte – dafür gibt es in der Effekt-Sektion natürlich noch den Compressor mit eben auch diesen Effektmöglichkeiten.

Hammermechanik-Tastatur überarbeitet

Die Tastatur des Nord Piano 6 unterschiedet sich vom Nord Grand 2 – letzteres bietet eine abgewandelte Version der Kawai RH-III-Klaviatur. Die Tastatur des Nord Piano 6 spielt sich dank 3-Sensor-Technik gut und im Vergleich zum Vorgänger hat sich das Spielgefühl der Tastatur verbessert. Auf dem Nord Piano 6 spielt es sich nun noch präziser als auf dem Nord Piano 5.

Dennoch bleibt’s meiner Meinung nach dabei: Die Tastatur ist nicht das Aushängeschild des Nord Piano. Nicht zuletzt auch bei dem stolzen Preis des Instruments darf man bei einer gewichteten Hammermechanik-Tastatur Dinge wie Ivory-Feel-Decklagen und eine Druckpunktsimulation erwarten.

Fazit: Ultimativ im Sound, Kritik bei der Tastatur

Verglichen mit seinem Vorgänger Nord Piano 5 macht das Nord Piano 6 einen großen Schritt nach vorne. Verbessertes Spielgefühl, das überarbeitete Layer-Konzept und die massiv ausgebaute Effekt-Architektur heben das Clavia Stagepiano auf ein neues Level.

Das flexible Sound-Konzept in Verbindung mit den Vorteilen der Nord Libraries ist für Nord User ohne Frage premium, und mit den neuen Soundmöglichkeiten von Layer und Effekten klingt das Nord Piano 6 nicht nur differenzierter als der Vorgänger, vor allem macht die verbesserte Handhabung die ganze Funktionalität wesentlich zugänglicher.

Das Nord Piano 5 bekommt ganz sicher einen würdigen Nachfolger, welcher aber auch die bekannten Kritikpunkte in die Generation 6 mitnimmt. Nach wie vor wäre eine App für Smartphone und Tablet wünschenswert. Gemessen an der Qualität der tollen Piano-Sounds und nicht zuletzt auch an der Preisklasse hätte das Nord Piano 6 eine bessere Tastatur verdient.

Nord Piano 6 – Überblick

Erhältlich seit: 03.2025
Tastatur: 88er- btzw. 73er-Hammermechanik mit 3-fach-Sensor
Polyphonie: 120 Stimmen
Lieferumfang: Nord Triple Pedal 2
Speicher: 2 GB (Piano) 1 GB (Sample Synth)
Hersteller/Vertrieb: Clavia Nord/Sound Service

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